15. August 2019
Zumutbare Erwerbstätigkeit des obhutsberechtigten Elternteils
Das Bundesgericht beurteilt in einem neuen Entscheid zum Kindesunterhaltrechts seine bisherige Praxis als nicht mehr zeitgemäss und führt neue Richtlinien ein, ob, ab wann und wie häufig der betreuende Elternteil wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen muss.
Nach einer Trennung entsteht beim klassische Betreuungsmodell, nach dem ein Elternteil einer auswärtigen Arbeit nachgeht, während der andere Elternteil sich um die Betreuung und Pflege der Kinder kümmert, häufig eine Diskussion darüber ab wann der betreuende Elternteil wieder eine Erwerbstätigkeit nachgehen muss.
In der Realität nehmen viele Eltern bereits sehr früh wieder eine auswärtige Erwerbstätigkeit auf und lassen ihre Kinder durch Drittpersonen betreuen. Vermehrt wurde gefordert die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung sei nicht mehr zeitgemäss und müsse auf die neue verbesserte Situation in der Fremdbetreuung angepasst werden.
Mit Urteil vom 21. September 2017 hat das Bundesgericht nun auf diese Forderungen reagiert und in Abkehr seiner bisherigen Praxis neue Richtlinien erlassen (BGer 5A_384/2018). Das Bundesgericht geht in seinem Urteil davon aus, dass mit der obligatorischen Einschulung eines Kindes der betreuende Elternteil in erheblichem Umfang von der persönlichen Betreuung entbunden wird. Eine weitere Entlastung sieht das Bundesgericht beim Übertritt des Kindes in die Sekundarstufe I und ab dem 16. Lebensjahr des Kindes. Aufgrund dieser Überlegungen kommt das Bundesgericht zum Schluss, dass für den betreuenden Elternteil – im Normalfall – folgende Erwerbstätigkeit zumutbar ist:
Eintritt in den Kindergarten (Schuleintritt in einigen Kantonen): 50%
Übertritt in die Sekundarstufe I: 80%
Vollendung des 16. Lebensjahres: 100%
Rechtsanwältin Flavia Reinhardt